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Materialkunde

Gerbverfahren

Die Gerbung ist der Prozess, in dem Tierhaut ihre Beständigkeit gegen Wasser und Fäulnis erhält. Eiweißfasern werden dabei in Lederfasern umgewandelt – ein Prozess, der synthetisch nicht nachgebildet werden kann. Neben der Beschaffenheit der Rohware entscheidet die Art der Gerbung über die Qualität und die Eigenschaften des ledernen Endprodukts: Festigkeit, Dehnbarkeit, Wasserverträglichkeit, Härte oder Geschmeidigkeit des Leders werden maßgeblich vom Gerbverfahren bestimmt. Die Gerbverfahren sind zum Teil uralt; sie lassen sich nach den verwendeten Gerbstoffen in drei grundlegende Gruppen aufteilen: die vegetabile Gerbung, die Sämischgerbung und die mineralische Gerbung.

Vegetabile Gerbung

Wie archäologische Funde belegen, wurde die vegetabile, also pflanzliche Gerbung bereits vor 5.000 Jahren praktiziert. Gegerbt wird dabei mit Tanninen, die nahezu alle Pflanzen bilden, um sich vor Fäulnis, Schimmelbefall und Wildverbiss zu schützen. Tannine finden sich in Rinden, Hölzern, Wurzeln, Blättern und Früchten. Etwa 40 unterschiedliche Gerbstoffe sind bekannt, die beispielsweise aus Eichen- oder Fichtenrinde, Quebrachoholz, Mimosarinde, Taraschoten, Rhabarberwurzeln oder Edelkastanien gewonnen werden. Für den Gerbvorgang werden die Pflanzenteile getrocknet, zerkleinert und zusammen mit Wasser zur Gerbbrühe verarbeitet. Vegetabil gegerbte Leder entstehen in Fassgerbung, Grubengerbung oder Altgrubengerbung, die – in dieser Reihenfolge und mit steigendem Zeitaufwand – immer festere und zähere Leder hervorbringen.
Die traditionelle vegetabile Gerbung in der Grube wird auch als Loh- oder Rotgerbung bezeichnet. Sie ist heute eher selten und wird bei schweren Rinderhäuten angewandt. „Lohgare“ führt zu einem sehr festen, langlebigen und robusten Leder, das im Gebrauch seine Patina erhält.

Bei der vegetabilen Gerbung folgen wir dieser Terminologie:

  • Pflanzlich im rotierenden Gerbfass gegerbte und daher relativ weiche Leder mit vergleichsweise kurzer Gerbzeit nennen wir vegetabil gegerbt.
  • Das in der besonderen Form der vegetabilen Gerbung im sogenannten Farbengang (einem System von sechs bis zwölf mit Lohbrühe gefüllten Gruben) gegerbte Leder nennen wir grubengegerbt.
  • Das über viele Monate hinweg in der Grube lohgegerbte Leder nennen wir altgrubengegerbt.
Besonderheit: vegetabil gegerbtes Olivenleder®

Ein umfassend ökologisches Gerbverfahren hat wet-green® entwickelt. Grundlage ist eine der ältesten Nutzpflanzen: der Olivenbaum. Seine Blätter enthalten Bitterstoffe, die ihn gegen Schädlinge und Fäulnis schützen und sich auch als Gerbstoff eignen. Zu dessen Gewinnung werden nur die Olivenblätter verwendet, die ohnehin beim jährlichen Baumschnitt anfallen und sonst verbrannt würden. Daraus wird unter Nahrungsmittelbedingungen der sirupartige Gerbstoff hergestellt, den man sogar verkosten könnte, wäre er nicht so bitter. Mit Olivenblattextrakt gegerbtes Leder ist sehr gut hautverträglich und über den gesamten Produktzyklus absolut ungefährlich für Mensch und Umwelt. Die Olivenblattgerbung kann Leder mit unterschiedlichsten Eigenschaften hervorbringen: Vom kräftigen Sattelleder bis hin zum schmiegsamen Bekleidungsleder ist je nach Zurichtung und Finish alles möglich.

Sämische und altsämische Gerbung

Die Sämischgerbung – Überlieferungen zufolge bereits im 6. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung betrieben – arbeitet mit Fett und Tranen und wird vor allem bei Hirsch-, Reh-, Schaf- und Ziegenhäuten angewandt. Sie ist eines jener alten Verfahren des Gerberhandwerks, die unerreicht schöne und dauerhafte Leder hervorbringen. Die Verwandlung der Eiweißfasern der Haut in Lederfasern beruht auf der Oxidation tierischer Fette und Trane, die zwischen die Fasern eingearbeitet werden. Sämisch gegerbtes Hirschleder ist weich, warm, fast wollig im Griff und temperaturausgleichend. Die Königsdisziplin ist die altsämische Gerbung mit Dorschtran, die Kolesch in Biberach als letzter Betrieb in Deutschland pflegt. In einem Verfahren, das sich über ein ganzes Jahr hinzieht, entsteht ein fast textil anmutendes Bekleidungsleder von einer Qualität, die mit anderen Gerbmethoden nicht zu erreichen ist.

Mineralische Gerbung

Zur mineralischen Gerbung gehören die Alaun- oder Weißgerbung, die zu den ältesten Gerbverfahren zählt, und die Chromgerbung, die erst im 19. Jahrhundert eingeführt wurde.

  • Bei der Alaun- oder Weißgerbung wird Alaunstein verwendet. Sie führt zu einem hellen Leder von großer Weichheit. Die französische Weißgerbung oder Glacé-Gerbung mit Alaun, Salz, Eigelb, Weizenmehl, Fetten und Wasser wurde früher traditionell vor allem bei Handschuhen aus Zickelleder (Jungziegenleder) durchgeführt. Die Alaungerbung wurde weitestgehend von der Chromgerbung verdrängt und wird heute vor allem noch bei Kleintierfellen angewandt.
  • Die Chromgerbung arbeitet in Europa mit dreiwertigen Chromsalzen und hat den Vorteil sehr kurzer Gerbzeiten. Das Ergebnis ist ein leicht zu verarbeitendes, sehr geschmeidiges, weiches, tuchartiges Leder, wie es heute beliebt ist.

Kombinierte Gerbverfahren

Neben den genannten Gerbverfahren gibt es noch eine Reihe modernisierter und kombinierter Varianten der vegetabilen, sämischen und mineralischen Gerbung, bei denen die Gerbzeiten durch mechanische und chemische Mittel deutlich verkürzt werden. So können Leder zum Beispiel synthetisch vor- und vegetabil nachgegerbt sein, oder die vegetabile Gerbung wird mit der Chromgerbung kombiniert.

    Weitere Themen

    Wie viel Pflege ein Leder benötigt, hängt von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel von der jeweiligen Lederware und Lederart, der Nutzungs- und Tragegewohnheiten und auch maßgeblich von der Qualität des Leders. Bei hochwertigen Lederjacken beispielsweise ist das häufige Tragen die beste Pflege. Denn durch die Bewegung wird das Leder laufend gewalkt und geschmeidig gehalten.

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    Pferdeleder – gebräuchlich ist auch der Begriff „Horsehide“ – kann aus den Häuten verschiedener Pferdearten hergestellt werden. Da Pferde heute seltener landwirtschaftlich genutzt werden, gehört es zu den raren und luxuriösen Lederarten. Je nachdem, welche Lederwaren produziert werden, kommen unterschiedliche Areale der Lederhaut in Frage.

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    Rindleder ist sehr kräftig, weshalb es in mehrere Schichten gespalten und vielfältig eingesetzt werden kann. Dünne und leichte Schichten sind schmiegsamer und werden daher bevorzugt zur Herstellung von Bekleidung verwendet.

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