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Fühlbar geerdet. Die Fingerprobe Ihres Bodens
Wir bücken uns. Das ist vermutlich das Erste, was jeder Landwirt, jeder Gärtner tut, wenn er seinen Acker oder sein Beet in Augenschein nimmt: Wir bücken uns, nehmen eine Handvoll Erde auf und verreiben sie prüfend zwischen den Fingern. „Der Boden ist eines der kostbarsten Güter der Menschheit“, erklärt die Europäische Bodencharta von 1972. Denn er ist das, woraus wir leben und worauf wir Anzucht, Anbau und Pflege überhaupt erst gründen. Er bildet den Lebensraum für unzählige Bodenorganismen und ist im wahrsten Sinne des Wortes die Grundlage dessen, was in und aus ihm wächst, satt, grün und wiederum lebensspendend.
Dabei ist Boden nicht gleich Boden, und nicht jede Pflanze gedeiht auf jedem Erdboden gleich gut. Die Bodenbeschaffenheit ist ein wesentlicher Faktor, um ausmachen zu können, wie ein Boden bearbeitet, für die Bestellung vorbereitet und beim Anbau gepflegt werden sollte. Möhren zum Beispiel benötigen sandigen Boden, auch Lavendel fühlt sich auf sandig-trockenen Böden so richtig wohl. Kartoffeln und Pfingstrosen kommen dagegen selbst auf schweren Ton- und Lehmböden bestens zurecht. Sobald Sie wissen, welcher Boden in Ihrem Garten vorherrscht, können Sie das Erdreich Ihrer Beete so attraktiv aufbereiten, dass Ihre Wunschpflanzen zu Größe, Geschmack und Blütenpracht heranwachsen.
Auch wenn dieser Lebensraum Boden überaus komplex und vielschichtig ist: Bereits mit einer einfachen Berührung können Sie schnell und zumindest grob bestimmen, welche Möglichkeiten und Herausforderungen er für Sie und Ihr gärtnerisches Tun bereithält. Es ist verblüffend einfach, ein so komplexes Gefüge wie den Boden „kurzerhand“ zu analysieren: per Fingerprobe.
Gut gefühlt ist halb bearbeitet. Die Fingerprobe
Die Fingerprobe eine einfache, doch effektive Methode, um herauszufinden, von welcher grundsätzlichen Beschaffenheit Ihr Boden ist. Mit ihrer Hilfe untersuchen Sie den Boden auf vier grundlegende Kriterien: Plastizität, Rollfähigkeit, Schmierfähigkeit und die sogenannte Rauigkeit – und es klingt in der Theorie sehr viel komplizierter, als es in der Durchführung ist. Sie müssen nicht mehr tun, als eine Handvoll Boden aufzunehmen, diese in einer kleinen Schüssel ein wenig anzufeuchten und schließlich zu versuchen, Ihre „Bodenprobe“ in der Hand zu einer kleinen, wurstförmigen Rolle zu formen.
- Lässt sie sich gut formen, ist sie ein wenig klebrig, sodass sie etwas Schmutz an Ihren Händen hinterlässt, und zeigt sie dabei eine leicht glänzende, glatte Ober- bzw. Gleitfläche, so handelt es sich um Ton- oder Lehmboden.
- Ist Ihre Bodenprobe hingegen nur mäßig formbar, eher mehlig, ohne dabei zu schmutzen, und zeigt sie eine raue Gleitfläche, so breitet sich Schluff oder ein sandiger Lehmboden in Ihrem Garten aus.
- Bei einer körnigen, feinkrümeligen Struktur, die ebenso wenig formbar wie schmutzend ist, halten Sie eine Sandbodenprobe in der Hand.
Halten Sie Ihre Bodenprobe doch auch einmal ans Ohr, während Sie sie hin- und herrollen. Hören Sie ein leises Knirschen? Dann überwiegt in Ihrer Probe der Anteil an Sand, dessen trockene Fragmente knisternd aneinanderreiben. Vernehmen Sie hingegen ein deutliches Schmatzen, das auf einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hinweist, so halten Sie eher Ton- oder Lehmboden in der Hand. (Oder Sie stehen gerade mitten im Moor. Das sollten Sie nicht tun, verlassen Sie lieber diesen Ort und versuchen Sie es in Ihrem Garten erneut. Moore sind ein einzigartiges Ökosystem mit einem ganz besonderen Boden, der in der deutschen Bodensystematik sogar eine eigene Abteilung bildet und mittlerweile so schützenswert ist, dass er vorzugsweise nicht kultiviert, sondern in einen naturnahen Zustand zurückgeführt werden sollte.)
Ein hochkomplexes Organ
Mithilfe der Fingerprobe erhalten Sie einen Eindruck, mit welcher Bodenbeschaffenheit Sie es zu tun haben – nun kommt es darauf an, weiterführende Schlüsse daraus zu ziehen.
Betrachten wir den Planeten Erde als einen Organismus, so gleicht der Boden einer Haut, die ihn überzieht: ein ebenso flächengreifendes wie vielschichtiges Organ, das intensiv auf Reize reagiert – jede Berührung, jeder Eingriff evoziert Reaktionen und hinterlässt Spuren. Sein Gefüge verhält sich nicht anders als Gewebe: Der Boden kann je nach äußeren und inneren Einflüssen aufquellen und sich verdichten, schrumpfen und Risse bilden, er kann eine feste, kompakte Masse bilden oder auch verklumpen, krümeln und lose zerbröseln. Das alles klingt so selbstverständlich und simpel, doch dahinter verbergen sich hochkomplexe Prozesse, in denen das chemische, mechanische und biologische Verhalten organischer und anorganischer Substanzen ineinanderspielt, und das auf nicht minder vielfältige Weise. Nicht zuletzt deshalb benötigt Erdboden eine lange Zeit, sich zu entwickeln – und dieser Prozess ist niemals ganz abgeschlossen.
Ein Gefühl für Ihren Boden. Körnung und Bodenarten
Vielleicht war das, was Sie gerade zwischen den Händen verrieben haben, einmal Magma des Erdkerns, vielleicht war es die Spitze des Himalaya. Bis Minerale und Gesteine – darunter Magmatide und Sedimente – der Erdkruste zu immer kleineren Teilchen und schließlich zu etwa einem Meter Erdboden verwittert sind, dauert es ungefähr 100 Jahre. Dieser Durchschnittswert gilt zumindest für Lehmboden, den Speedy Gonzales der Bodenbildung. Und was könnten wir Ihnen an dieser Stelle nicht alles erzählen! Über physikalische und chemische Verwitterung und über die bedeutende, intensivierende Rolle, die Pflanzen und Bodenorganismen und nicht zuletzt klimatische Bedingungen dabei spielen. Doch so viel Detailwissen ist gar nicht entscheidend, um ein Gefühl für Ihren Boden zu bekommen. Denn auch wenn es sich bei der Verwitterung nicht einfach um ein Zerreiben grober zu feiner Fragmente handelt: Grundsätzlich unterscheiden sich Bodenarten durch ihre Textur oder Körnung, wie der Fachmann sagt.
Die Gesteinsbruchstücke, Mineralkörner und Humuspartikel (also die organischen Substanzen) eines Bodens werden nach ihrer Größe klassifiziert. Grob gesagt besteht Sand aus größeren Korngrößen (Ø 0,063–2 mm), mittlere Korngrößen (Ø 0,002-0,063 mm) formieren sich zu Schluff, und Kornfraktionen mit kleinsten Körnern (Mineralpartikel <0,002 mm Ø) werden als Ton klassifiziert. Irritierenderweise bilden diese sogenannten Kornfraktionen Sand, Schluff und Ton gleichnamige Bodenarten, weshalb Kornfraktionen und Bodenarten inhaltlich gern miteinander verwechselt werden. In Deutschland werden die Bodenarten Sand, Schluff, Ton und Lehm unterschieden. In ihrer Reinform kommen sie kaum vor, deshalb wurden sie in Untergruppen gegliedert, Ton wird zum Beispiel in Lehmton und Schluffton unterschieden. Die Bodenart Ihres Beets oder Ackers ist also in der Regel ein Gemisch von Sand, Schluff und Ton in verschiedensten Mischungsverhältnissen.
Von der Beschaffenheit zur Bearbeitung
Sobald Sie wissen, womit Sie es zu tun haben, können Sie erfolgreich die weiteren Schritte der Bearbeitung planen, denn die Bodenart verrät Ihnen einerseits, wie der Boden sich zum Beispiel hinsichtlich seiner Nährstoffgehalte (Ertragsfähigkeit) und seiner Filtereigenschaften (Wasserdurchlässigkeit bzw. -speicherfähigkeit) verhält.
Der ideale Boden ist locker krümelig und somit gut durchlüftet, er bietet ein gesundes, vielfältiges Bodenleben, Pflanzenwurzeln Halt und kann Wasser sowohl aufnehmen als auch speichern – ein Sand-/Lehmboden beispielsweise bietet solche Voraussetzungen. In der Regel muss man als Gärtner aber seinen Teil dazu beitragen, bis die Bodenstruktur solch optimale Bedingungen erfüllt. Lehmboden zum Beispiel kann zwar sehr gut Wasser speichern, allerdings verdichtet er auch schneller. Verdichteter Boden ist jedoch nicht ausreichend durchlüftet und leitet Feuchtigkeit nicht gut ab, sodass sich Staunässe bilden kann. Sandboden hingegen nimmt Wasser gut auf, kann es aber nicht speichern, sodass er zum Austrocknen neigt. Hier hilft es, Humus und Lehm unterzuarbeiten. Wir Sie Ihren Boden erfolgreich unterstützen, zeigen wir Ihnen hier ausführlich.
Fühlbar ausgewogen. Das Werkzeug
Auf der anderen Seite können Sie nun das geeignete Werkzeug auswählen. Versuchen Sie einmal, Sandboden mit der Grabegabel zu bearbeiten – Sie und Ihr Beet werden niemals glücklich mit diesem Werkzeug werden, mag es auch noch so funktional und hochwertig konstruiert sein.
- Auf leichten Böden wie Sandboden werden Sie eher mit einem Rechen oder einem (Roll-)Kultivator Erfolg haben, um beispielsweise etwas Humus oder Lehmboden unterzuarbeiten und damit Speicherfähigkeit und Nährstoffgehalt des Bodens zu verbessern.
- Für mittelschwere Böden verwenden Sie am besten Werkzeuge wie den Sauzahn, mit dem Sie die obere Bodenschicht lockern und lüften können.
- Am Nutzen der tiefen Bodenbearbeitung scheiden sich die Geister, weil das Bodenleben unter der Umschichtung leiden kann – manchmal ist sie dennoch erforderlich, insbesondere bei sehr verdichteten, schweren Lehmböden. Hier greifen Sie am besten zu einem Spaten oder besagter Grabegabel, um auch die tieferen Erdschichten zu erfassen und aufzulockern und zur Bodenverbesserung etwas Sand unterzuarbeiten.
Die Qualität Ihres Werkzeugs können Sie übrigens ebenso fühlen wie die Bodenbeschaffenheit. Streichen sie doch einmal mit der Hand über einen Werkzeugstiel aus massivem Eschen- oder Buchenholz, spüren Sie der Kante eines geschmiedeten Blattes nach und fühlen Sie, wie gut Blatt und Stiel eines fachkundig gefertigten, funktionalen Werkzeugs austariert sind – schon mit dieser Berührung machen unsere Werkzeuge deutlich, wie effizient und kräftesparend Gartenarbeit vonstatten gehen kann. Und je einfacher und gezielter Sie Ihren Boden bearbeiten können, desto intensiver werden Sie diese besondere Verbundenheit spüren, die sich dabei aufbaut: fühlbar geerdet zu sein auf dem Erdboden, einem »der kostbarsten Güter der Menschheit«.