Taschen
Mit dem Begriff „Taschen“ konfrontiert, denken viele Menschen automatisch an Handtaschen. Und an Frauen, die sie tragen. Dabei waren Taschen ursprünglich eher eine Männerdomäne und sowohl optisch als auch funktional von ihrer ... Weiterlesen
Ratgeber
Wie den Taschen Henkel wuchsen
Mit dem Begriff „Taschen“ konfrontiert, denken viele Menschen automatisch an Handtaschen. Und an Frauen, die sie tragen. Dabei waren Taschen ursprünglich eher eine Männerdomäne und sowohl optisch als auch funktional von ihrer heutigen gesellschaftlichen Zuschreibung als teils kultisch verehrtes Modeaccessoire weit entfernt. Dem Trend zu schnelllebigen It-Bags setzen wir bei Manufactum robuste, zeitlose Taschen gegenüber, die kurzfristige Geschmackswellen überstehen und dauerhaft zu nutzen und zu schmücken wissen. Und zwar Männer und Frauen – in der Freizeit, im Beruf und beim Einkaufen.
Schau her, was ich habe. Frühe Taschen im Mittelalter.
Die längste Zeit der Geschichte war der Umgang mit Taschen ein vornehmlich pragmatischer: Sie mussten sicher verwahren und möglichst wenig stören. Sie waren Gebrauchsgegenstände und man trug sie – in Form von Beuteln und Säckchen – meist am Gürtel befestigt und behielt so freie Hand. Da es vor allem Münzen waren, die man so transportierte, und zwar über der Kleidung, waren sie zugleich offensichtliche und mit Stolz getragene Demonstrationen des eigenen Wohlstands – im besten Fall zumindest. Vor allem das aufstrebende Bürgertum des Mittelalters zeigte so, was es hatte. Der Adel hatte derlei profane Zurschaustellungen des Ranges zwar nicht nötig, verfügte aber ebenfalls über Taschen – zum Beispiel für die Jagd –, die jedoch im Vergleich zu den einfachen Leder- und Stoffbehältnissen der Bürgerlichen aufwendig gearbeitet und reich mit Gold- und Silberornamenten verziert waren.
Aus den Augen. Aus Taschen werden Hosentaschen.
Doch auch schon damals änderten sich die Moden und mit dem Barock verschwanden die Taschen unter der Kleidung. Die pluderigen Männerhosen des späten 16. Jahrhunderts boten genügend Platz für eingearbeitete Hosentaschen und auch die weiten, sich in mehreren Lagen auftürmenden Rockgebilde der weiblichen Bevölkerung erlaubten das Einnähen von zwei großen, flachen Taschen, die von außen durch Schlitze zu erreichen waren. Seinen Status demonstrierte man nun durch die Kleidung selbst, eine separate Tasche war dafür nicht mehr vonnöten.
Lächerlich oder nicht? Die Tasche wird zum Accessoire.
Nachdem man seine Habseligkeiten für etwas mehr als zwei Jahrhunderte eng am Körper transportiert hatte und die Damenwelt dazu übergegangen war, Kleinigkeiten wie Taschentücher, Riechsalz oder Puder – zumindest in gewissen Kreisen – stets bei sich zu führen, stand man mit Einführung der leichten und fließenden Diréctoire-Mode zu Ende des 18. Jahrhunderts vor einem Problem. Es wurde Zeit, die Sachen in die Hand zu nehmen, denn unter den Kleidern war kein Platz mehr dafür. Aus den „Arbeitsbeuteln“ des Biedermeier, in denen die bürgerliche Dame ihr Handarbeitszeug verwahrte, entwickelte sich daher das sogenannte „Reticule“, ein kleiner Zugbeutel, der mit einem Band am Handgelenk transportiert wurde. Die Urform der Handtasche war geboren.
Die Herrenwelt empfand dieses Gebaren als absurd, sah sie doch den Gebrauchswert als kaum gegeben an. Das „Reticule“ wurde zum „Ridicule“ und damit lächerlich im wahrsten Sinne des Wortes. Mit ihrer Karriere als damenhaftes Accessoire waren Taschen für die Herrenwelt dann auch passé. Die bürgerliche Mode sah für den Herrn eine klare, sachliche Mode in gedeckten Farben, mit klaren Formen und ohne jegliche Verzierungen vor. Taschen kamen in dieser Vorstellung nicht vor. Und erst recht keine verzierten Beutelchen, wie die Damen sie trugen.
Aus Beuteln werden Taschen. Aus Bändern werden Henkel.
Es brauchte aber noch die Eisenbahn, um aus den belächelten Beuteln Taschen zu machen, wie wir sie uns heute unter dem Begriff vorstellen. Die neue Art des Reisens erforderte neue Transportbehältnisse, gerade in Bezug auf die Dinge, die man unterwegs bei sich zu tragen pflegte: das Handgepäck.
Erste Reisetaschen kamen auf, die nicht nur über starre Henkel verfügten, sondern die auch ab 1846 mit Metallrahmen versehen waren und so neue Formen und ein größeres Packvolumen ermöglichten. Fast wie kleine Koffer sahen diese frühen Handtaschen aus, waren aber unbestritten so funktional, dass sich das Prinzip in der Folge auch für Taschen durchsetzte, die nicht auf Reisen, sondern im Alltag zum Einsatz kamen.
Vom Gebrauchsgegenstand zum Accessoire. Der Kult um die (Hand-)Tasche.
Während Taschen über die Jahrhunderte zwar durchaus schon schmückenden Charakter hatten und auch entsprechend dem jeweiligen Zeitgeschmack gestaltet wurden, entwickelten sie sich erst ab den 1920er Jahren zum modischen Accessoire, das ein Outfit ergänzte, aufwertete oder gar dominierte. Sattler und Kofferhersteller wie Louis Vuitton, Gucci, Hermès und Prada wurden zu den ersten stilbildenden Designern und ihre luxuriösen Handtaschen weckten Begehrlichkeiten jenseits des reinen Gebrauchsnutzens. Ende der 1930er Jahre machten die Taschen noch mal einen Satz: Taschenkörper und vor allem Trageriemen wuchsen und ermöglichten es, sie bequem über der Schulter zu tragen. Endlich hatte die Trägerin wieder freie Hand. Zumindest, wenn sie es wünschte. Die Auswahl war da und sie war reizvoll.
Heute ändern sich die Handtaschenmoden gefühlt stündlich. Regelmäßig wird eine neue It-Bag ausgerufen, die bereits vor Auslieferung ausverkauft ist und deren nicht enden wollende Warteliste das kultische Element der heutigen Handtaschenanbetung mehr als deutlich untermalt. Während die Herren der Schöpfung lange ohne Taschen auskommen mussten, haben sich die restriktiven Vorstellungen in den letzten Jahren gelockert und es gilt nicht mehr als unmännlich mit einer Tasche auf die Straße zu gehen. Ob man sie dabei als Kultobjekt, Modeaccessoire oder schlicht als Mittel zum Zweck betrachtet, ob es sich um eine Handtasche, eine Notebook- oder Aktentasche oder um einen Einkaufskorb handelt, ist im Grunde relativ unerheblich – Fakt ist: Taschen sind aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Oft enthalten sie ein ganzes Leben. Und im Zweifel hat man immer etwas, um sich daran festzuhalten.